Universität Zürich
Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät
Institut für Mathematik
Abteilung Angewandte Mathematik
in Zusammenarbeit mit dem Interdiziplinären Zentrum für
Wissenschaftliches Rechnen der Universität Heidelberg
EMGM - Ein Mehrgitterverfahren zur Berechnung von
Resonanzschwingungen am Beispiel des Bodensees
Physikalischer Hintergrund und mathematische Modellierung
In der Limnologie sind Resonanzschwingungen von Seen ein wohlbekanntes
Phänomen. Diese sogenannten ,,Seiches'' sind für die inneren
Strömungen in Seen verantwortlich und haben daher eine
entscheidende Bedeutung für die mikrobiologischen
Verhältnisse in Seen. Auch für die Arbeit der Fischer ist die
Kenntnis dieser inneren Strömungsverhältnisse wichtig.
Physiker und Biologen beschäftigen sich schon seit langem mit
der Modellierung dieser Resonanzschwingungen. Wegen der viel zu
groben Diskretisierung der zugrunde liegenden Gleichungen lieferten
diese Berechnungen nur unzureichende Ergebnisse vor allem bei
höherfrequenten Schwingungen.
Das Berechnen von Resonanzschwingungen ist eine extrem wichtige
Aufgabe in vielfältigen Bereichen der Technik. Dazu gehören
die Bestimmung des Luftwiderstandes von Automobilkarossen und
Flugzeugen sowie Stabilitätsuntersuchungen an großen
Bauwerken wie Brücken, Türmen oder leichten
Flächentragwerken, etwa dem Dach des Münchner
Olympiastadions.
Das Programm EMGM (Eigenvalue Problems with Multi-Grid Methods)
Das Programm EMGM löst Resonanzprobleme in zwei Raumdimensionen,
d. h. im Detail, es berechnet die Eigenwerte und Eigenfunktionen
elliptischer Differentialoperatoren zweiter Ordnung.
Special Features
Verwendung von Mehrgittermethoden
Mehrgitterverfahren sind die schnellsten Iterationsverfahren zur
Lösung von Eigenwertproblemen. Sie sind vom Aufwand her optimal
und herkömmlichen Verfahren an Rechenzeit und Speicheraufwand
überlegen. Damit ist es möglich, Eigenwerte/vektoren von
10000x10000 Matrizen in wenigen Minuten auf Personalcomputern
(Apple Macintosh) zu lösen.
Verwendung einer neuartigen Datenstruktur
Zur Verwendung von Mehrgittermethoden sind mehrere hierarchisch
geordnete, unterschiedlich feine Gitter notwendig. Das Gitter sollte
in Problemzonen (Rändern des Gebiets) wesentlich feiner sein als
in unproblematische Bereichen.
Konstruktion problemangepaßter Gitter für Eigenwertprobleme
Rechengebiet: |
Grenze zwischen Problemzone |
Gröbste Diskretisierung: |
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und gutartigen Bereichen: |
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Verfeinerungstechnik: |
Gitter für den Bodensee |
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Um Resonanzprobleme auf einem Computer zu lösen,
müssen die Eigenwerte/vektoren sehr großer
Matrizen berechnet werden. Diese Matrizen bestehen fast
nur aus Nullelementen. Nullelemente sind von
entscheidender Bedeutung für die Geschwindigkeit
der Mehrgitterverfahren.
Durch spezielle Numerierungstechniken
entstehen Matrizen mit sehr regelmäßigem
Besetzungsmuster (links). Auf Grund dieser
regelmäßigen, vektorartigen Datenstruktur
läßt sich EMGM sehr effizient auf
Vektorrechnern implementieren. |
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Verwendung spezieller Techniken zur Rand/Uferanpassung der Gitter
Wegen der extrem komplizierten (fraktalen!) Struktur des Ufers
benötigt man spezielle Techniken zur Anpassung des Gitters an dem
Rand.
Mit Hilfe von EMGM konnten die ersten zehn Oberschwingungen des
Bodensees berechnet werden:
Vergleich mit Meßdaten:
Die folgenden Bilder zeigen die 1.,2.,3.,6. und 10. Oberschwingung.
Die 10. Eigenschwingung ist historisch als Wasserwunder von Konstanz
(1549) belegt.
Prof. S. Sauter,
16.10.1998